The Big Idea – Half A Dozen 12″

Wenn man am Wochenende mal wieder ein bisschen mehr Zeit hat und sich lieber einem gitarrenlastigen Post Punk Experiment als dem halsbrecherischen Hardcore Geknüppel der Werktage widmen möchte, kommen The Big Idea aus Paris wie gerufen.

Zwischendurch lärmen die Kinder zwar auf einer Tröte herum und Haustiere laufen über das Schlagwerk, aber alles in allem kann man hier sehr entspannt einem mehrstöckigen Soundgerüst lauschen, das sich über Kopfhörer besonders eindringlich in den dicken Brunchbauch einnistet und dort eine wohlige Wärme abgibt.

Feine Sache, ohne Fisch.

Howlin Banana Records. Kommt im Oktober auf 12″ heraus. Limitiert und rot. Wahrscheinlich nur 6 Stück, also ranhalten.

Däächt – Crying Houses

Na, wer hätte das gedäächt, dass wir die Woche in Regensburg beginnen, wo die heulenden Häuser in der beschaulichen Domstadt der ostbayrischen Idylle vor sich hin mittelaltern und die Heroinspritzen nebenan auf den Spielplätzen von kleinen Kinderhänden gestapelt werden. Hier kann man sich von einer 1000 Jahre alten Brücke in die Donau stürzen und dabei Helles saufen. Ist es eine Reise wert?

Ja. Denn hier könnt ihr auch Däächt zuhören, wenn sie ein paar Stücke von ihrem zweiten Album zum Besten geben und dabei den Garage Punk Charme aus dem Keller holen und auf ein Post Hardcore und Post Punk Niveau der 90er hieven. Steht zwar ein bisschen auf wackeligen Beinen, aber dann bewegt es sich wenigstens und ist nicht so starr und stur.

Alles in Eigenregie geschrieben, gespielt und aufgenommen, veröffentlicht und Artwork gemacht und Werbung und naja, deswegen hat es auch 5 Jahre seit dem Debüt gedauert. Hast sich gelohnt. Ist ganz geil.

Nix Label, nix physisches Release. Das könnt ihr einfach so digital genießen. Oder halt live in Ostbayern, wenn ihr unbedingt da hinwollt.

Aliment – Sempre Res LP

Damals, in den 90ern, als wir noch kein Internet hatten, saßen wir an langweiligen Abenden immer vor dem Fernseher (also fast jeden Tag). Im Grunde hat sich bis heute nicht viel getan, das Medium wurde lediglich ausgetauscht und man sitzt heute alleine vor dem Bildschirm, anstatt sich in der Familie dem Diktat der Fernbedienungsherrschaft (Vater) zu unterwerfen.

Jedenfalls gab es da samstagabends bei RTL die sogenannte RTL Samstag Nacht, angelehnt an die US Show Saturday Night Live. Eine Sendung mit Sketchen und Quatsch, die tatsächlich oftmals (zeitgemäß) lustig war. Ich erinnere mich gerade wegen der heutigen Band an eine Sketchserie, in dem es um die Gebrüder Mente ging, Ali und Rudi. Haha. Blöder Wortwitz, aber dafür hatte ich schon immer eine Schwäche.
Und da frage ich mich jetzt, ob es vielleicht eine befreundete Band gibt, die Rudiment heißt und die dann gemeinsam mit Aliment Barcelona unsicher macht. So funktioniert mein Hirn.

Nebenbei machen Aliment sehr eingängigen Punk Rock der melodischeren Spielweise und driften dabei manchmal in den Post Punk ab. Sehr schön, sehr spanisch, sehr seltsames Cover. OK.

Flexidiscos. Auf Platte erschienen in orange oder schwarz. Tatsächlich gibt es einen Künstler aus Sankt Petersburg, der auf den Namen Rudiment hört und kürzlich (vor 5 Jahren) eine richtige beschissene EBM Kassette mit dem schönen Titel "Messerwunden" veröffentlicht hat. Aktuell ist er mit "Zeitenwende" beim Label Wie Ein Gott in Berlin angekommen. Das wäre doch eine schöne gemeinsame Tour durch Europa!

Autor – Kommen Und Gehen LP/CS

Tolles zweites Album der Band aus Wien. Autor – das ist nicht etwa ein vertonter Literaturverein mit Schachnovelle, sondern eingängiger, deutschsprachiger Post Punk ohne Schmäh, aber mit viel geschwungenem Tanzbein und bösen Zungen.

Genau das Richtige für die Sedisvakanz. Im Vatikan geht es ja auch wie im Taubenschlag zu. Naja, wenn die Tauben echt alt wären und orientierungslos. OK.

Contergan Punk und Urticaria Records. Einmal LP und einmal Kassette. Ich hatte auch ein Kommen und Gehen hier letzte Woche und leider ist nur die Erkältung geblieben. Verdammt.

Distance – Le Décor EP

Gibt es sowas wie Posi-Deathrock? Ach, diese bekloppten Genre Schubladen werden noch einmal mein Ende sein. Die fünf Franzosen aus der Distance in Bordeaux zaubern auf jeden Fall auf ihrer Debüt EP eine schöne Mischung aus Post Punk mit Melodie und Garage Rock mit kalten Füßen aus dem Hut und positionieren sich damit irgendwo auf dem Schulhof zwischen Gummitwist und den Tischtennisplatten.

Melodiös und verspielt, aber rau und hart. Kaugummi mit Biergeschmack vielleicht? Ziemlich gut. Also die Band, das Kaugummi spucke ich im hohen Bogen in dein Rotweinglas. Prost.

Sabotage & Dans Le Vide. Da soll irgendwann Vinyl erscheinen und vielleicht auch was auf Kassette? Keine Ahnung, digital sind die 6 Songs schon erschienen und das muss erst einmal reichen.

Frana – Swamped

Eingängiger Noise Rock? Verspielter Post Punk? Verliebt in die 90er? Welche Schublade soll es denn sein?

Für alle Neuankömmlinge müssen sich Frana wie eine wunderbare Rock Band anhören, die ihre Wurzeln irgendwo im Punk haben und während der Adoleszenz vor MTV gefrühstückt haben. Für alle Hardcore Opas klingt bei der Band altbekanntes Liedgut der Stilart von Dischord Bands aus den 90ern durch. Auf europäisch neu interpretiert.

Schönes neues Album, bestehend aus 6 Songs und mit einer Spielzeit von knapp 24 Minuten. Würde sogar auf eine LP passen. Verliert sich manchmal. Gut.

Kann man vorerst nur digital erwerben. Hört sich aber gut an. Ich bin mal im Urlaub und mach "Rambo Zambo", wie es der neue senile Kanzler Deutschlands ausdrückt.

Index for Working Musik – Which Direction Goes The Beam LP

Hey Kids. Das ist die Musik, bei der ihr wieder angewidert und gelangweilt die Augenbrauen kräuseln und die Schultern zucken lassen könnt. Aber eure Eltern verstehen das vielleicht.

Um diesen Post Punk Firlefanz schätzen zu wissen, muss man halt erst einmal ne Zeit lang dem schnöden Punk mental entwachsen sein. Muss nicht, hilft aber. Denn auf dem neuen Album von Index For Working Musik aus London kommen diverse Ideen aus zahlreichen Facetten des Genres zusammen und werden miteinander bis zur Unkenntlichkeit zu einem leckeren englischen Pudding verrührt.

Man hört noch hier und da ein paar Spuren vergangener Helden, wenn man sich Mühe gibt. Ich meine, eine Prise Gang Of Four herausgeschmeckt zu haben. Gute Musik. Nicht für alle, nur für die Besten. OK.

Tough Love. Das Album erscheint erst Anfang April. Aber dann auch auf LP in rot oder schwarz. Jetzt vorbestellen und aus 2 Songs schon einmal 11 Minuten Musik genießen – das ist mehr als die komplette Spieldauer ganzer Alben anderer Bands.

Virvon Varvon – Four Bars Of Hate CS

Wieso kann man in Deutschland eigentlich ankündigen, mit seinem Trecker eine Kreuzung zu blockieren und erhält dafür politischen Einfluss, während man ohne Trecker, mit einer Tube Kleber und der gleichen Absicht in den Knast gesteckt wird?

Können wir nicht einfach das Fenster am Sonntagabend aufmachen, 5 Minuten klatschen und den Landwirten für ihre großartige Leistung und Arbeit danken und dann ist gut? Ist immerhin ganz schön kalt dann in der Stube. Naja.

London’s Virvon Varon haben ein neues Album aufgenommen und veröffentlichen das auch nächsten Monat. Das ist doch eine schöne Nachricht neben den ganzen deprimierenden Dingen zum Jahresstart. Auch beim zweiten Longplayer sind 8 Songs drauf, die irgendwo zwischen Garage und Post Punk mäandern und einfach nur zum Hausschuhe wackeln einladen. Wenn man fit genug ist, kann man dazu auch tanzen. Sehr schön.

Girlsville. Erstmal nur auf Kassette. Es bleiben Fragen. Warum kein Vinyl? Und warum erscheint das am 28. Februar ? – da weiß jemand nicht, dass wir ein Schaltjahr haben. Und sind es vier Kneipen in London, die permanent mit hasserfüllten Fußbalfans bestückt sind oder sind es vier Bar im Sinne von Druck? Oder sind die Black Flag "Bars" gemeint? Hm.

Tics – Flash Language LP

Am nahen Horizont lauert ein neues Highlight aus dem deutschen Post Punk Firmament! Tics aus Köln haben ihr viertes Album nun schon ein paar Mal mit zwei Singles angekündigt – eine im November und eine im Januar – und diese Salamitaktik scheint aufzugehen, zumindest hat sich dadurch mein Interesse zur  Ungeduld gesteigert und ich hab mir die LP kurzerhand brühwarm aus dem Presswerk geklaut und teuer weiterverkauft bei einem Glas Rotwein für Euch vorgehört.

Kurzum könnte man meinen, hier ein neues Release von Dischord Records aus den 2000ern auf dem Plattenteller liegen zu haben und ich musste mich zweimal vergewissern, nicht eine alte Testpressung von Q and not U geklaut zu haben. Ich geh jetzt einfach mal davon aus, die richtige LP hier zu besprechen, was solls. Tics sind auf Flash Language ein bisschen weniger im Funk-Universum unterwegs und lassen ihrer Post Punk Tanz- und Spielfreude freien Lauf, die sich auf diesem Album eher in die Richtung von Washington D.C. als Leeds U.K. (Gang Of Four) bewegt.

Mir gefällt das sehr gut, es ist eine großartige Platte für den späten Winter, wenn man gemütlich über Kopfhörer lauschen kann und eher die Organe qua Kohlsuppe tanzen lässt, als durch das zugige Wohnzimmer zu hüpfen. Nur ein Song ist zu viel auf der Platte, aber den verrate ich euch nicht. Tolles Album von Tics, hoffentlich.

Tomatenplatten. Das dritte Album auf dem Label und bis zum Erscheinungsdatum am 02. Februar kann man die Platte auch noch auf der Bandcampseite von Tics zu einem günstigeren Preis vorbestellen. Na los, ihr Schnäppchenjäger!

Knowso – Pulsating Gore LP

Heute mal ein bisschen Post Punk mit intellektuellem Appeal. Das bedeutet natürlich gleichzeitig, dass man zu dumm für Musik ist, wenn einem das nicht gefällt, logisch. Aber ich will in diesen harten Zeiten nicht polemisch sein. Nein.

Hier, für all die hart streikenden Dummbauern auf den Straßen und die hart trauernden Dummbrote in den Gossen rund um Deutschlands Fußballstadien. Der König der Bauern, der Beckenbauer, der Kaiser ist von uns gegangen, aber hey, gute Freunde kann niemand trennen, ne.

Auch Knowso aus Cleveland spaltet nicht, sondern versöhnt missmutige Bahnfahrer, die auf ihren Zug warten, mit streikenden Treckerfahrern, die ebenso auf ihre Almosen vom Start warten, mit dickbäuchigen Deutschland-Fans, die um eine vermeintliche Lichtgestalt weinen, die sie als Kaiser und einzige Führungsperson in schwarz-rot-gold akzeptierten. Wir sind alle eins, und das ist ganz schön impertinent.

Sorry, das hat alles gar nichts mit dem verqueren Gedudel der Band zu tun, die nun ihr drittes Album herausbringen und ähm, eigenwilliger denn je sind. Dazu kann man sich vielleicht nicht unbedingt konstruktiv in einen Dialog miteinander begeben, die Musik erfordert zu viel Aufmerksamkeit. Aber vielleicht ist es das, was wir gerade brauchen. Mehr Zuhören, weniger Scheiße labern. Mehr Versuchen, komplizierte Dinge zu verstehen, als sie in eine Schublade zu stecken und reinzukacken. Naja. Ich mags jedenfalls. Die Musik meine ich, nicht in Schubladen kacken. OK.

Sorry State. Auf 12″ erschienen. Mir ist gerade aufgefallen, dass es in Deutschland gar keine Thronfolge für den Kaiser gibt. Haben jetzt die Reichsbürger gewonnen oder verloren?