Sekunderna – Hits LP

Wie weit in den Norden muss ich eigentlich auswandern, um diesem Klimawandel zu entfliehen und erträgliche Temperaturen tags- und nachtsüber anzupeilen? Reicht Umeå da schon? Ich mein, das liegt ungefähr auf der Höhe von Fairbanks in Alaska und Reykjavik auf Island – kennt man beides nicht unbedingt als Glutnester.

Ich frage ja nur, weil ich dann zumindest auch noch gute Musik vor Ort genießen könnte und mir an kalten Tagen das Herz mit original schwedischem Power Pop Garage Punk erwärmen kann… Beweisstück B: Sekunderna’s neue LP. Nur Hits, will uns der Titel glauben machen, aber ich kenne die alten Sachen, also ist das nicht übertrieben. Momentan kann man 2 von 11 Hits schon einmal vorhören und sich mental auf 12°C und Regen einstellen. Herrlich.

Fika Recordings (UK), Bloated Kat Records (US) und irgendjemand in Schweden – fragt im Zweifel einfach die Band, die sind nett. Kommt auf limitierter Vinyl LP raus und im Sommer touren die Jungs durch den heißen Teil Europas. Cool. Hot.

Eel Men – Stop it! Do Something. LP

Auch wenn der Aufruf ein bisschen verwirrend anmutet, wirkt das Debüt Album von den Eel Men aus London wie ein Riesenlutscher vom Jahrmarkt. Was soll ich denn nun machen? Aufhören oder Anfangen. Womit? Das klingt ein bisschen nach panischem Aktionismus, aber vielleicht schätze ich die Stimmung auch falsch ein.

Mit dem Album kommt auf jeden Fall ein bisschen klebriger Pop mit quietschbuntem Punk und einer Aura aus längst vergangener Zeit auf den Plattenteller . Runde Sache. Der Lutscher und das Album. Schmeckt auch nicht nach Fisch, sondern ist tatsächlich süß wie Toffee, bleibt gleichermaßen in den Zwischenräumen des Gehirns stecken und macht es sich da bei den Buzzcocks und Wire gemütlich. Passt.

Big Neck Records. Erschienen auf schwarzem Vinyl mit drei verschiedenen Covervariationen. Vielleicht hat das in England eine besondere Bedeutung, aber die "Aal Männer" ist ein selten dämlicher Bandname.

Roberta Lips – En Plein Cœur 7″

Eine lustige Mischung aus quietschvergnügtem Keyboard Power Pop und zuckerfreiem Punk Rock kommt da in Form einer runden Vinylscheibe ins Haus geflogen.

Roberta Lips macht sich an den Frühjahrsputz und fegt noch schnell vor dem Umstellen der Uhrzeit die Reste aus den 60ern und 70ern in die vier Songs der Debüt Single. Das hat den Charme eines rotweingetränkten Baguettes zum Frühstück an der Atlantikküste und passt am besten zu einer hektischen Fahrt auf dem Roller zur Kneipe, bevor die Pforten und Zapfhähne eine Stunde früher schließen.

Trifft mich nicht mitten ins Herz, sondern ist eher so der Bauchschuss, aber die Veteranen sagen immer, da hat man länger was von. OK. Hübsch.

Le Cèpe Records (Paris) und Flexidiscos (Valencia). Da auf Französisch und Spanisch gesungen wird, ist das nur konsequent. Kommt letzten Freitag raus, als es noch früher spät war. Das geht mir alles zu schnell mit dieser Zeit.

Licklash / Scud – Split 7″

Ah, die Split Single. Unser Format des Herzens. Dieses Mal mit zwei Bands aus Melbourne, die tatsächlich auch beide letztes Jahr den Support für Jack White gespielt haben. Aber in Australien läuft das ja eh anders, da finden sich auch Pub und Punk Rocker in den Charts wieder.

Licklash und Scud spielen beide rotzigen Power Pop oder poppigen Kneipen Rock, wie man’s nimmt. Scud schummeln mit ihrer vertonten Ophidiophobie sogar eigentlich einen zweiten Song auf ihre Seite, aber da war halt noch Platz auf dem digitalen Vierspurgerät. Licklash dudeln einfach nur sehr angenehm eine Ode an ihren Vorort ins Ohr und sind soundtechnisch ein bisschen in der Nähe von Amyl & the Sniffers, wenn die noch interessant wären. Cool.

Roolette Records. Im März noch auf ganz vielen quietschbunten Vinylscheiben erhältlich gewesen. Jetzt noch auf grün, aber naja, Porto. Bestes Format. OK.

Game Show Models – Fight Theory

Lo-Fi Garage Power Pop. Das kommt wohl dabei heraus, wenn man in Chicago ein paar Proberaum-Lagerhallen ausfegt und die scheppernden und melodischen Reste in einer Ecke aufstapelt – siehe Cover.

Die neue Veröffentlichung von den Game Show Models ist eine wunderbare Mischung aus radiotauglichem Garage Punk und trashigem Power Pop aus dem 4-Spur-Gerät der Hölle. Fight Theory ist das erste Lebenszeichen seit vier Jahren und scheinbar haben sie ihren Sound jetzt gefunden, nur halt kein anständigen Rekorder. Egal.

Inklusive Orgel und Ohrwürmern für die kommende Freibadsaison. Toll.

Ich will den Ball auf dem Bild unbedingt wegkicken.

Smooch – A Forth To Be Rockin With LP

Habt ihr das mitbekommen, dass die Weihnachtsmäkte Deutschlands in der Vergangenheit nicht ganz ehrlich zu der GEMA waren, was die Fläche anging, die mit den immergleichen Songs von Wham!, Mariah Carey oder Bing Crosby vollgekotzt wurden? Da haben die Glühweinpanscher einfach 5m² statt 50 angegeben und nicht die korrekten monetären Abgaben geleistet. Huch. Skandal. Wer macht denn sowas? Naja, Schwamm drüber, ne.

Aber nicht in Deutschland! Nicht mit der GEMA! Die schickt jetzt Privatermittler auf die Märkte und kassiert ordentlich ab. Da bleibt den heizverstahlten Veranstaltern nicht anderes übrig, als auf die populäre Kommerzmusik zu verzichten und auf andere musikalische Unterhaltung zurückzugreifen. Ich hätte da ein paar Vorschläge…

Zum Beispiel Smooch aus Melbourne. Die machen ihrem Namen nach so Musik wie KISS und das stimmt sogar. Irgendwie Glam Power Pop Rock’n’Roll nur mit ner richtig tollen Frauenstimme. Klasse Album, 8 melodische und leicht verdauliche Songs, die auch mit Pilzpfanne, gebrannten Mandeln und Kinderpunsch zum wilden Schunkeln einladen. Schön.

Wanda. Auf LP erschienen und in zwei Varianten zu bestaunen. Wie wird man eigentlich so ein verdeckter Ermittler für die GEMA? Muss man da nur mit Telefon und Shazam herumlaufen und Strafzettel aushändigen? Gibt es noch niedrigere Tätigkeitsbeschreibungen, als Spaß daran zu haben, Leuten ihren Spaß zu verbieten? Lausiges Volk, diese GEMA. Hört Punk Rock, die wollen kein Geld, die wollen nur spielen.

Single Bullet Theory – C.’79 LP

Ein bisschen Power Pop zum Spätsommer. Ahh, Spätsommer, wie schön. Während in anderen Regionen Europas wegen des Wetters Menschen sterben und ihre Heimat verlieren, kann man hierzulande abends länger draußen sitzen und ein kühles Bier auf den Deutschlandpakt trinken.
Gut, streng genommen kann man das auch ohne Spätesommer, dann macht man sich einfach die 5 Heizpilze auf dem Balkon an, ne?
Naja, Griechenland, Türkei und so weiter. Wen interessiert das schon. Das bauen die bestimmt alles wieder auf, bis wir nächstes Jahr da wieder hinfliegen wollen. Top.

Im Englischen und wenn man cool sein will, nennt man so etwas "blast from the past", was ich hier zum Hören anbiete. Diese Explosion aus der Vergangenheit (gähn) kommt von der Single Bullet Theory aus Richmond, die vor über 40 Jahren mal aktuell waren. Nun buddelt man ein paar der alten Songs aus und siehe da, die "Gute-Laune-trotz-der-Scheißigkeit" Attitüde funktioniert hervorragend im Jahr 2023. Warum also nicht ne LP herausbringen, die nicht nur anachronistisch klingt, sondern mit den Aufnahmen aus den späten 70ern wirklich aus der Zeit gefallen ist.
Kann man machen. Hätte ich auf jeden Fall lieber aufm Get Lost gesehen, als diese seltsame Alt-Herren-Truppe aus Vancouver. OK.

Feel It Records. Kommt in ein paar Wochen auf weiß und schwarz. Für die jüngeren Leser unter Euch: die Single Bullet Theory besagt, dass bei dem Attentat auf John F. Kennedy (war mal Präsident der USA) mit einer einzigen Kugel aus einem Gewehr insgesamt 7 Schusswunden verursacht und zwei Personen getroffen wurden (John Connally auch). Heute weiß man, dass es Selbstmord war, weil Jackie O. nicht kochen konnte. Tja.

Rowdy – S/T LP

Rock’n’Roll! Rowdy aus dem großen und weiten Texas sind die etwas räudigere Variation von Romero aus dem großen weiten Australien.

Richtig tolle Melodien, großartige Sängerin, gerade genügend Knarzen aus den Verstärkern – kurz vor Fuzz, kurz nach verzerrt – und ordentlich schepperndes und klatschendes Schlagwerk. Super Platte von den Leuten, die man vielleicht aus Goldie Dawn oder den Hex Dispensers kennt.
Mit dem Namen werden sie auf den Straßen und in den Bars in ihrem Heimatstaat gewiss nur auf 12 Millionen gleichnamige Bands treffen, die von Country über Metal bis Electro-DJ jedes Genre bedienen. Vielleicht sollte man doch mal anfangen, diesen vermeintlich individuellen Bands einfach Nummern zu geben. Schaut euch Blink oder Sum an. Höhö.

8 Songs, Cover ist farblich mit der Jahreszeit abgestimmt und mit dieser wunderbar eingängigen Mischung aus Power Pop, Rock’n’Roll und Glam kann man wunderbar das Laub auf der Straße wegblasen. Cool.

Drunken Sailor. Rote und schwarze Platten im Angebot. Im Gegensatz zu Romero bringen Rowdy direkt ihre durchschnittliche LP heraus, um dann erst die Hit Single mit zwei sehr starken Songs zu veröffentlichen. Ha.

The Whiffs – Scratch 'N' Sniff LP

Das vierte Türchen hält parat: eine Band aus Kansas City in Missouri namens The Whiffs! Die haben jetzt auch schon wieder ein neues Album aufgenommen und veröffentlichen das im März auf Vinyl. Täusche ich mich, oder werden diese Vorankündigungen auch immer ambitionierter? Egal.

The Whiffs sind euch bekannt, die machen diesen wunderschönen Power Pop, der niemals langweilig wird, niemals gleich klingt und niemals an Attraktivität einbüßt. Oder waren das diese anderen da? Oder die aus Belfast? Ach. Nicht so wichtig.

Das neue Album kommt mit einem kleinen Aufkleber, den man scratchen und sniffen muss und dann bekommt man einen whiff von Banane. Coole Idee!

Kommt bei DIG! Records in den USA und bei unserem Freund Bachelor Records in Österreich heraus. Auf Jamaika Farben – grün, gelb oder schwarz. Stinken aber dennoch alle nach Banane und nicht nach Gras.

Abi Ooze – R.I.P. 7″

Jeden verdammten Tag muss ich diesen Balanceakt durchführen, auf Messers Schneide durch das Leben zu schlittern. Mein Gemütszustand ist am Ende des Jahres derart instabil, dass ich bei Kleinigkeiten schnell mal nach links in die Depression abrutsche oder nach rechts in eine Depression gleite.
Ein Drahtseilakt, bei dessen Ende nicht einmal ein sicherer Halt geboten wird, sondern nur das Versprechen eines kalten Bettes steht, in dem ich mich für 5 schlaflose Stunden auf den Horror des nächsten Tages vorbereiten darf.

Ups, falsches Tagebuch. Sorry.

Abi Ooze, eine Verrückte (Videobeweis) aus Hammond in Indiana hat kürzlich eine schöne Debüt Single veröffentlicht, die wohl schon gleichzeitig das Ende der kurzlebigen Karriere einläutet.
So ist das mit den jungen Leuten, schnell hier und husch husch schon wieder woanders. Aber bitte, wenn dafür am Wegesrand so feine Sachen wie diese 7 Songs liegen bleiben, bin ich voll dafür. Lo-Fi Power Pop Garage Punk mit Camouflage gepimpt, wie die jungen Leute sagen.
Bei den ersten vier Songs muss man sich aus den Akronymen den "richtigen" Songtitel heraushören, wenn man Langeweile hat. Geiler Scheiß.

Wer die Single oder nur auch das digitale Release kauft, erhält einen Bonus Track! Yay. Und dazu noch jeden Song als Demo-Version. Falls das mit dem Lofi nicht ausreichend low war. "I don’t wanna" ist der Hit (IDW).