Fragile – Big Big Smile LP

Ach, komm. Warum nicht. Die fünf Jungs aus Angers kommen gerade vom Friseur und haben sich extra alle den gleichen Haarschnitt geben lassen, um das neue Album im besten 90er und 2000er Jahre Emo-Stil promoten zu können, sowas muss man auch ein bisschen wertschätzen.

Hinter der hübschen Topfschnitt-Fassade lungert ein melancholisch melodiöser Mollakkord (tolle Alliteration) mit einer Führung durch den Song, die an Bands aus den genannten Jahren erinnert, als der Sound der adoleszenten Traurigkeit noch frisch war. Aber sowas vergeht ja nicht, das konserviert sich von selbst hervorragend und passt heute genauso wie vor 25 Jahren. 10 Songs, einer jetzt, den Rest zum Erscheinen.

Das Cover erinnert mich von der Farbgestaltung und dem Stil ein bisschen an Van Pelts "Sultans of Sentiment". Crazy.

Wenn ihr Bock auf Knopflochtränentanzen habt, dann ist das genau die richtige Band der Stunde. Fragile. Passender Name für zerbrechliche Zeiten.

La Cèpe Records. Erscheint Ende August auf LP in drei verschiedenen Farben. Wenn ihr bis dahin eurer Emo-Phase bereits entwachsen seid, könnt ihr die Platte mit dem Bandfoto einfach als Ansichtsexemplar zu eurem Friseur mitnehmen. Schön.

Cutup – The Future Leaks Out

Hab keinen Bock heute, manchmal erdrücken mich die Nachrichten und Aussichten.

Und wenn das die Zukunft ist, die hier bei Cutup aus Cleveland durchsickert, dann Gute Nacht. Schlechte Stimmung in Gitarrenakkorde gedrückt und Pessimismus in Melodien gegossen, dazu Hass in den Gesang gemischt und Aggressionsgeschepper aus dem Schlagzeug geprügelt. Passt in die Zeit und ist geil, aber ich wünschte gerade, es wäre mehr Beach Boys.

Schon im Juni digital erschienen, keine Ahnung, ob sich da kein Label findet. Naja, könnt ihr ja selber auf Kassette überspielen und ein schönes Cover basteln, dafür seid ihr doch auf der Waldorfschule gewesen.

Electric Chair / Physique – S/T Split LP

Eine Split LP! Hat man auch nicht so häufig. Bei Electric Chair von einem no brainer zu sprechen, fühlt sich irgendwie falsch an, und ich will natürlich keine Opfer dieser furchtbaren Exekutionsmaschine verhöhnern. Aber viel nachdenken muss man eigentlich nicht vor der Kaufentscheidung dieser A-Seite der LP.

Für den elektrischen Stuhl braucht man Physik und da boten sich die Nachbarjungs aus der Nebenstraße direkt an, man ist pragmatisch und möchte sparen, aber auch ne LP veröffentlichen, also teilt man sich den Scheiß einfach auf. Physique auf Seite B.

Für die Legendenbildung erzählt man dann natürlich, dass man sich in Olympia, Washington irgendwo an einem Baggersee getroffen hat und beim gemeinsamen Schwimmen auf die Idee kam, eine Split zu machen. Schon klar. Und zudem wird der naive Hörer mit den alternativen Fakten gefüttert, dass der Drummer von Physique auch mal bei Electric Chair ausgeholfen habe. Ja sicher, der einzige Typ, den man bei Konzerten nicht sehen kann, ne? How convenient.

OK, Hardcore für schlechtgelaunte Menschen, die gut werden soll. Oder andersherum. Geiler Scheiß.

Iron Lung Records. Gibt es 1500 mal auf schwarzem Vinyl. Keine Ahnung, wer das Zeug auf dem Cover beim Bleigießen als Ergebnis hatte, aber ich tippe mal, dass es ein schlechtes Omen ist. OK.

Pig Pen – Mental Madness LP

Coole neue Band aus Kanada mit Sensenmann und Ritter auf dem Cover. Das verspricht doch zumindest ein bisschen Metal mit 80er Einschlag. Mal sehen.

Ah ja. Stimmt – noch ne Prise 80er Hardcore eingestreut und mit recht reflektierten Texten zur Selbstwahrnehmung garniert ("I’m sick, I’m sick, I’m sick") macht das Album einen angenehmen ersten Eindruck, wenn man denn gerade Hass auf sich selbst verspürt und dafür einen Soundtrack benötigt.

Gespickt mit dem Brüderpaar Romano aus der Metal und Hardcore Szene Kanadas und einem "Celebrity" Koch, dem Schauspieler Mathy Matheson aus der Serie "The Bear" als Sänger, der auch ansonsten im kanadischen Fernsehen bekannt zu sein scheint.
Ein lustiger Haufen, der während der Pandemie zusammengekommen ist und mal eben an zwei Tagen das Album eingespielt hat. Wird wohl bei dem vollen Terminkalendern der Beteiligten erst einmal das zweite Standbein bleiben. Passt hervorragend zum Gemüseputzen und  "Mise en place"-Verkacken in der Hektik der Imbissküche. Ganz geil.

Flatspot Records. Ist auf 7 verschiedenen Varianten erschienen. Eine reicht, klingen alle gleich. Das Label ist in Baltimore ansässig und gewiss nur auf die Band aufmerksam geworden, weil es in den 70ern dort einen legendären Laden gab, der so hieß und wohl das beste Barbecue hatte. Oder Pontius Pilatus aus dem "Lebens des Brian" hat versucht, den englischen Glockenturm auszusprechen? Gute Serie im Übrigen.

Histamine – Quality Of Life LP

Hallo Montag. Ich hab gehört, dass Histamine ganz furchtbare Spaßverderber sein können, wenn man eine Allergie hat. Also nee, das heißt dann nicht Allergie sondern Unverträglichkeit, eine Intoleranz, eine Störung.

Jedenfalls kann man dann Hautausschlag bekommen oder muss aufs Klo oder nie wieder aufs Klo. Je nachdem. Und Jucken tuts auch. Und Migräne bekommt man ebenso, wenn man ne Pulle Rotwein trinkt, weil da Histamine drin sind. Sogar mehr als im Weißwein. Und dann isses ja nicht mehr viel mit "Quality of Life", von der die Band aus Sydney hier singt und schreit, dann ist das nur noch juckender, roter, verstopfter Popo mit furchtbaren Kopfschmerzen obendrein.

Aber wenn man das Zeug verträgt, dann ist das gut für die Gedächtnisleistung und für den Blutdruck und die Gedächtnisleistung und den Blutdruck. Wieso eine Band so heißt, weiß ich nicht, aber die vier Australier ballern hier schon wieder direkt die frühmorgendliche Ferienstimmung auf dem Campingplatz in Schutt und Asche. Geiler Scheiß für den Wochenstart.

Convulse Records. Nach 5 Jahren Abstinenz das Debüt Album? Stark. Kommt auf vier verschiedenen Farben auf Vinyl raus. Histamine sind wichtig für die Gedächtnisleistung und den Blutdruck.

Ubiquitous Meh! & Height Keech – All Time Greatest Best In History 7″

Einfach mal den Entschleunigungsknopf gedrückt halten am Wochenende. Kommen wir mal runter. Dieses ganze Gehabe von Überholspur und schneller und mehr, mehr, mehr geht mir auf den Geist.

Früher galt Muße und Müßiggang noch als wertvoll, bis die verdammten Christen mit der Kommerzialisierung der Freizeit angefangen haben und der Protestantismus die Akkumulation von Kapital gefördert hat. Naja, zumindest hat diese Frömmigkeit und der Arbeitsethos den Grundstein dafür mit so bekloppten "Weisheiten" wie "Müßiggang ist aller Laster Anfang" gelegt. Geht kacken!

Der passende Soundtrack kommt von Ubiquitous Meh! aus Plymouth (Love! Satan!), den man so einfach in einer bequemen Dauerschleife über das Wochenende hinweg spielen und ansonsten einfach mal gar nichts tun kann. Nix kleiner Computer in der Hosentasche, der dich traurig macht, nix TV, das dich blöd macht. Setz dich unter einen Baum.

Damnsonic Records. Hauseigenes Label bringt auch diese 7″ der Band heute raus. Stark limitiert und nicht billig, funktioniert aber auch digital wunderbar mit wasserdichten Kopfhörern am Grund des Dorfteiches. Oder wo man sonst Ruhe findet. Schönes Wochenende!

Patient Zero – Souvenir Noir CS

Da ist der Penner. Patient Null, der Indexpatient und der Anfang allen Übels. Hat ein bisschen länger gedauert, ihn aufzuspüren, dabei ist das Debüt Album von Patient Zero schon seit Mitte Mai in der Inkubationszeit und bricht jetzt mit aller Macht aus.

Ich bleib nicht im Bild, das ist albern. Tolle Band aus Tour, die sich offensichtlich der tristeren Seiten des Lebens und der Musik verschrieben haben, oder die Farbpatrone des Druckers ist gerade leer. Post Punk, der beizeiten an Nightwatchers oder Syndrome 81 erinnert. Letztere haben sogar ihren Jacky Cadiou ausgeliehen und die 5 Songs aufnehmen und mixen lassen.  Post Punk mit dunkler Seele aus Frankreich. Geht eigentlich immer.

Dirty Slap Records. Auf 70 durchsichtigen, bzw. petrischalenfarbenen Tapes erschienen. Jetzt bloß nicht überhastet Masken kaufen.

Xeroform – Faceless Nameless Number CS

Müssen wir mal wieder über Bandnamen sprechen? Sind das vier Krankenpfleger aus Lakewood in Ohio, die sich nach ihrer Lieblings-Mullbinde benannt haben? Oder sind sie eher der passive Part, also diejenigen, die damit am liebsten verbunden werden? Es gibt ja unterschiedliche Vorlieben für alles, da halte ich mich raus.

Wie dem auch sei, Xeroform aus der Nähe von Cleveland präsentieren sich hier in bester Garage Punk und Pub Rock Manier, wie sie heutzutage auch gerne in Melbourne zelebriert wird.

Eine Reibeisenstimme von zu viel Bourbon aus der Western Reserve Distillery gepaart mit schrammelig-schrillen Gitarrensounds von fettigen Chicken-Wings Fingern in die Saiten gerissen, straightes Scheppern, das ordentlich im Takt der Kneipenschlägerei nach vorne schiebt und im Hintergrund orgelt Praktikant Aaron dazu im Takt auf den Tasten herum, so gut es mit verbundenen Armen und Augen geht. Fantastisch.

Just Because Records. Erscheint auf 75 Tapes am Samstag, jetzt kann man schon mal einen Song von 9 hören und dazu das "Petrolatum Dressing" aus seinem Verband schlabbern. Guden!

Fen Fen – In Yer Sights LP

Geil. Eine neue LP von Fen Fen aus Detroit ist im Anmarsch. Krachiger Garage Punk mit Löchern in den Unterhosen. Ein Song jetzt, der Rest im August. Ich bin Fen Fen.

Sweet Time Records (US) & Low Ambition Records (Australien). Einmal mit rotem und einmal mit gelbem Cover. In Europa vielleicht dann auch irgendwann in orange.

Problem Patterns – I’m Fine And I’m Doing Great

Bei der aktuellen Variante von Corona ist Heiserkeit wohl neuerdings eine typische Begleiterscheinung. Mist. Wären es Erschöpfung, Niedergeschlagenheit und Pessimismus könnte ich wenigstens An Der Goldgrube vorbeifahren und mir mit der Diagnose eine Spritze BionTech-Suppe in den Po rammen. So ist es wohl doch nur eine gewisse Wohlstandslethargie und ich muss weiterhin den Mirtazapin Kokain Cocktail schlucken.

Passende Musik von den Problem Patterns aus Belfast. Schöner Schrammel Garage Punk, der sich weigert, den Akkord auf der Gitarre zu wechseln. Im September kommt dann die LP raus mit dem schönen Titel "Boring Songs For Boring People". Gefällt.

Alcopop Records. Wie gesagt, erst im September eine Platte. Bis dahin ein bisschen Salamitaktik aus Nordirlands Bangers Wurst. Yummy.