Gedanken. Ich, konservativ.

Mir drängt sich eine Frage auf. Bin ich konservativ?
Es beginnt ja meist schleichend, diese ablehnende Haltung gegenüber den progressiven Errungenschaften der jungen Generation. Bis zu einem gewissen Innovationsgrad bin ich noch mit dabei und dann, schwupps, ist das alles auf einmal unfassbar scheisse und dumm. Zumindest in meinen Augen.

So kann ich zum Beispiel die Digitalisierung und ständige Verfügbarkeit von Musik noch gutheißen und befürworten, obwohl ich ja eigentlich streng analog mit Platten und dem ganzen gestrigen Quatsch unterwegs bin. Denn die Möglichkeit für Bands und Künstler, ihre Veröffentlichungen jeder Person auf diesem Planeten mit Internetzugang anzubieten, ist schon echt wahnsinnig gut. Künstlerische Vielfalt für alle und jeden immer und überall – geile Errungenschaft. Im Prinzip.

Doch dann wird aus diesem ganzen Gedöns ein Geschäftsmodell gemacht, das ich nicht mehr verstehe und dem ich mich deswegen warscheinlich auch seit jeher verschließe. Fucking Spotify als Anführer dieser Streamingdienste ist mit den Majors im Bett – wie konnte das nur passieren? Die Majorlabels hatten ausgeschissen, als auf einmal MP3 Tauschbörsen aufkamen und damals schon, vor 20 Jahren (!) alles überall verfügbar war, wenn auch nicht im schnellen Stream, sondern mittels eines Downloads, der für einen Song ungefähr eine Viertelstunde gebraucht hat – aber es geht ja ums Prinzip.
Und dann? Dann kam auf einmal das Urheberrecht wieder zurück in das Bewusstsein. Und damit einhergehend natürlich die Frage nach der Wertschätzung Bezahlung. Und wenn jemand nach Geld schreit, wird die Industrie schnell hellhörig und findige Marketingdeppen entwickeln zusammen mit den Geldsäcken ein Modell, von dem es so aussieht, als würden alle davon profitieren. Was natürlich Quatsch ist.
Profit machen hier nur die Musikindustrie und eine handvoll Künstler, die pro Monat mehrere Millionen Streams generieren. Find ich kacke so, geh ich nicht mehr mit – man kann ja auch die Bands oder kleinen Labels direkt bezahlen und die Musik streamen oder herunterladen, ohne einem Unternehmen als Dienstleister sein Geld in den Rachen zu schmeißen.

Ich hab damit offensichtlich grundlegend ein Problem, wenn sich Unternehmen an anderer Leute Arbeit bereichern. Das hatte ich schon zu Discogs gesagt, die ja nun wirklich nichts selber machen, außer eine Plattform zu bieten. Und mit Spotify oder anderen Streaminganbietern ist es genau das Gleiche. Die sind einfach nur da, machen ein bisschen cooles Marketinggeschrei und verdienen sich an den Künstlern, ohne die sie keinen Inhalt hätten, eine goldenen Nase, die Pinocchio neidisch werden lässt. Anscheinend ist hier bereits meine Grenze erreicht, an der ich den Fortschritt nicht mehr mitlaufen und lieber im gestrigen Wunderfabelsuperland bleiben möchte.
Schlimmer wird es dann nur noch mit den NFTs. Was zur Hölle soll denn der Scheiss überhaupt sein? Und wieso erlauben sich Menschen nun, Anspruch auf Kunst zu erheben, mit der sie überhaupt kein bisschen etwas zu tun haben? Und selbst wenn, was ist das denn für Kunst, die nicht von anderen angesehen oder angehört werden kann? Denn die Idee dahinter ist doch der exklusive Zugriff auf ein Einzelstück, oder?

Passend dazu:

Wahrscheinlich verstehe ich es nicht, bin zu alt und deswegen so ablehnend. Aber das hat in meinem Leben nichts verloren. Und vielleicht beantwortet das meine eingangs gestellte Frage..?

Discogs – Aufstieg und Fall in der Gunst eines Nutzers

Discogs! Die fast schon zwanzig Jahre alte Webseite hat sich in den letzten 10 Jahren zu der meistbesuchten Plattform für Musikliebhaber/Nerds und Sammler gemausert, wenn man den nicht ganz so genauen Statistiken Glauben schenken mag. Und das auch irgendwie zurecht, denn mit der Idee einer vollständigen Online-Datenbank von Tonträgern aller Musikrichtungen hat man – gerade was Vinyl angeht – bei dem Hipster-Zeitgeist offene Türen eingerannt. Ok, zunächst war das alles anders und der Gründer Kevin Lewandowski (habt ihr auch zwei hässliche Fußballer vor Augen? Haha) wollte eigentlich bloß seine eigene Plattensammlung online katalogisieren. Das fanden viele Leute ganz prima und so wurde Discogs zu einer öffentlichen Seite, die durch ihre Nutzer und deren Input stetig wuchs. Zunächst wurden Diskografien von Künstlern eingetragen, die nur ein einziges Genre – elektronische Musik – bedienten. Dann kam Hip Hop hinzu und nach und nach wuchs die Datenbank durch die Fleißarbeit der vielen Discogs-Nutzer an.
Heute hat Discogs fast 400.000 Nutzer und die Datenbank umfasst mehr als 9 Millionen Tonträger. Das ist alles ziemlich cool, wie ich finde. Ein System, das von einer Vielzahl von Nutzern aufgebaut und kontrolliert wird, erfüllt so seinen Selbstzweck: die vollständige Diskografie von Labels und Bands mit allen offiziellen und inoffiziellen Releases in all ihren Variationen.