Zuckerbecker – Retortenstadt LP

Das kommt davon, wenn man zu viele Sprachen spricht. Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Rätoromanisch… Kein Wunder, dass man dann durcheinander kommt und nicht mehr weiß, wie man Bäcker richtig schreibt. Aber egal.

Auf der Tonspur ist alles in Ordnung und die Zuckerbecker singen auf Englisch und Deutsch über ihre Sorgen und Ängste, wie man es in 80ern ebenso gerne durchmischt hat, wenn man auf die neue Welle der Gitarrenmusik aufspringen wollte. Die 4 Buben aus Zürich frickeln ordentlich in den Kinderschuhen des Wave und Punks herum und kommen mit 8 eingängigen Hits daher, die ganz wunderbar zu den Tanzstunden in den dunklen Kellergewölben der Stadt passen.

Man spürt die ganze Zeit eine leichte Zurückhaltung, die vielleicht auch der konsequent verhallten Gesangstimme geschuldet ist, die irgendwo hinter der Ecke aus der Bierdose heraus singt. OK, wenn man in ner Bushaltestelle aufnimmt, klingt das halt so. Das ist natürlich inzwischen nicht mehr neu, aber was ist das schon heutzutage. Find ich toll.

Mörtelsounds (DE). The Supermarket (CH). Auf Kassette und digital und auf Vinyl zu kaufen. Für Euro und Franken. Oder vielleicht auch für Briefmarken. Apropos – da man sich ja nicht auf eine Sprache einigen kann in dem Land, ist die Beschriftung der Briefmarken kurzerhand auf Latein. Crazy Volk.

Cruelle – 2023 Demo

Oi. Schönes Solo Debüt von Émilie, die auch bei Tenaz und Action Sédition mit am Start ist und nun bemerkt hat, dass man eigentlich gar keine nervigen Bandkollegen braucht, um new wavigen Synth Punk zu machen. Tja, und so kann sie ihre Vorliebe für den französischen Oi Punk in einer weiteren Unterkategorie des Genres ausleben. Cruelle. Merken. Ganz geil.

A World Divided. Gesungen wird auf Englisch und auf Französisch, wie es sich für Leute aus Montréal gehört. Ob die auch permanent zweisprachig träumen dort und wirkt sich Bilingualismus eigentlich positiv auf Schizophrenie aus? Hm.

Splizz – S/T CS

Haarspalter aus der Hauptstadt machen anachronistische NDW bis Darkwave Punk Musik mit sympathischen Texten und ohne Verzerrer. Das hat jetzt nicht unbedingt Nachrichtenwert. Da gibt es bestimmt noch eine andere oder 14 Bands, die das in den Kellern der 12 Stadtteile Berlins bei Pfeffi und Kindl ausprobieren.
Aber niemand erzeugt dabei eine solch schöne Mixtur aus trauriger Heiterkeit wie die Mädels und Jungs von Splizz. OK, man könnte dazu natürlich auch "Soundtrack zu manischer Depression" schreiben, aber so ist das halt, wenn man jung ist und in einer hippen urbanen Umgebung mit Haar- und Alltagsproblemen zu kämpfen hat.

Schöne 10 Songs zwischen Monarchie und Alltag, Feudalismus und Anarchie, Party- und Katerstimmung. Das ist jetzt das erste physische Release auf Kassette, für das auch schon ältere Songs verwurstet (vegan) wurden, die bereits auf dem 2019er Debüt erschienen sind. Macht nichts. Schmeckt immer noch.

Phantom Records. Die Band scheint eine Vorliebe für das Doppel-ZZ zu haben. Nicht nur Bandname, sondern auch der Song "Bizzy" schmückt sich mit dem Doppelkonsonanten. Man hat hier allerdings eine Gelegenheit verpasst, ein Konzeptalbum zu veröffentlichen. Pizza, Puzzle, Scheizze, etc. Naja – nächstes Mal.

Launderette – Dressing For Pleasure E.P. CS

Ich glaube, diese Vorliebe für Musik mit Synthesizern und Frauengesang ist tief in meiner Adoleszenz verwurzelt. Zumindest behauptet das mein Therapeut nach den letzten Hypnose-Therminen.
Ich kann das verstehen, früher lief bei uns immer Radio und dadurch wohl auch viel typische 80er und 90er (und das Beste von heute) Musik à la Sandra, Kim Wilde oder Samantha Fox. Irgendwoher muss ja dieser stete Tropfen kommen, der mein Hirn aufweicht.

Heute hinterlassen auf jeden Fall Launderette aus Portland ihre Spuren im Hippocamous mit der herrlich poppigen und düster wavigen Art, ihren Kleidungsstil zu beschreiben.
Zugegeben, hier singt nicht nur eine Frau (Bri), sondern Fernando übernimmt auch hin und wieder Gesangspflichten, was der Abwechslung gut tut und insgesamt die E.P. auch rund macht, obwohl es eine Kassette ist, haha. Ansonsten gibt es hier nicht viel Überraschung – ein Bass, zwei Keyboards und ein Schlagzeug zaubern die Melodien aus meiner Kindheit in eine neue bunte Tüte voller tanzbarer Hits für die Jugend-Disco in der Mehrzweckhalle.

Vor zwei Tagen bei der Band selber auf Kassette erschienen und bereits ausverkauft. Aber digital für immer im Internet.

Dass ich musikalisch teilweise durch die 80er Jahre Terrorherrschaft des privaten Radios sozialisiert wurde, erkennt man auch daran, dass ich beim Lesen des Titels dieser E.P. direkt einen Ohrwurm von Roxette habe…ugh.