Piss Rules – Carsick CS

Schon erstaunlich, wie man als "Band" klingen kann, wenn man seit über zwanzig Jahren seine Instrumente beim Sperrmüll zusammengesucht und aus Kinderspielzeug zusammengeklaut hat und nur mithilfe einer Knopfbatterie die elektrischen Hilfsmittel wie Gitarre, Bass oder Drumcomputer bedient.

Irgendwie hört sich das alles ein bisschen kaputt an und wenn es Egg sein soll, dann eher aus einer hektischen und klaustrophobischen Legebatterie statt von der grünen Wiese und Freilandhaltung. Das ist dreckig, laut und quietscht.

Piss Rules aus Leuven in in Belgien orgeln durch 4 Songs in brachialen 4 Minuten und hinterlassen wohlklingende Ohrenschmerzen. "Es begann als Witz und endet auch als einer". Kann auch nicht jeder.

Noise Merchant Records. 4 Minuten auf Kassette. Aber die ist schon ausverkauft. Schade eigentlich, so richtig gut wird der Kram erst, wenn es so richtig leiert. Naja.

Zondar – S/T 7″

Tolle zwei Songs von Zondar, dem Typen hinter dem Typen hinter dem Typen von Buck Biloxi. Also Robert.

Laut Eigenaussage ist der jetzt endgütlig durchgeknallt, "da die Sicherheitsprotokolle ausgeschaltet werden und der Krieg der Zukunft in vollem Gange sein wird". Und falls ihr euch fragt, was der Name denn wohl bedeuten könnte…"den [habe] ich von den radikalen Herrschern der Weltraumzone erhalten". OK. Cool.

Und so so klingt das dann also, wenn ein Punk Rocker und Spinner aus unseren Reihen mit Synthesizer herumspielt. Da kann das schon einmal passieren, dass sich der Künstler ein bisschen Zeit nimmt und die Songs über 3 Minuten dauern dürfen. Naja, inklusive Geschnipsel aus TV und Radio. Poppiger Synth Garage Punk Rock mit ein wenig Düsternis gesprenkelt und wie gewohnt zielsicher ins Herz der Melodien geschissen. Zwei Seiten, zwei Hits, mehr kann man nicht verlangen.

Goodbye Boozy Records. Auf Vinyl in…Hä? Ach so, ausverkauft. Na dann.

The Breath – 道​理​な​き​憎​悪 Reasonless Hate LP

Ach naja, was ist schon grundloser Hass? Braucht es denn so viel, um etwas zu hassen? Es gibt ja so aufbrausende Kandidaten, die bekommen schon einen Tobsuchtsanfall, wenn im Kino zu viele Studios an einem Film mitgearbeitet haben und der Vorspann 5 Minuten vollgekleistert wurde mit siebzehn animierten Logos aus Hollywoods Albtraumfabrik.

Ist auch irgendwie verständlich. Und ich will ja auch nicht unbedingt klugscheißern, aber es ergibt doch eigentlich gar keinen Sinn, etwas oder jemanden grundlos zu hassen, da wäre man ja nicht besser als die verträumten Hippies, die alles und jeden grundlos lieben.

Ach, egal. Nun haben the Breath aus Tokyo freundlicherweise alles für die dummen Abendländler ins Lateinische Alphabet übertragen und dann passt das auch wieder nicht. Auf jeden Fall gibt es am Rosenmontag für euch von meiner Seite ein bisschen Untermalung zum Straßenkarneval Straßenkampf, wenn ihr als Youth Crew oder Stagedive-Spezialisten verkleidet seid. Mit dem Album von the Breath fällt das Hüpfen und Drehen und Springen und Schlagen, ups, Entschuldigung, wesentlich leichter, als zu dem Schunkel-Scheiss vom Prinzengespann. Alaaf?

Convulse Records. Kommt auf rot, weiß und schwarzem Vinyl. Selbst Karneval kann man nicht grundlos hassen, es gibt einfach zu viele gute Gründe. OK.

The Follies – Permanent Present Tense LP

Hübscher Post Punk Gitarren Pop, der sich an den letzten 60 Jahren Musikgeschichte bedient und glücklicherweise zielgenau die Perlen aus dem restlichen belanglosen Linsen- und Erbsenhaufen herauspickt.

The Follies aus New York City scheinen ein Händchen für eingängige Melodien zu haben, die mich an irgendeine Band erinnern, ohne dass ich diese genau benennen könnte. Höre ich da eine Mischung aus australischem Romero Pop und europäischen Telecult Punk, ohne dass The Follies sich wie die eine oder andere Band anhören?

Mein Gott, wie ich das hasse, wenn ein Erinnerungsfetzen oder eine suggerierte Idee im Frontallappen herumeiert und ich sie nicht packen kann, weil die da oben mit meinen kognitiven Fähikeiten Pac Man spielt. Ach, egal.
Vielleicht sind die restlichen 9 Songs ja auch völlig anders, man kann nur einen vorab hören. Aber der lohnt sich. Schöne Sache.

Feel It Records. Kommt in 2 Wochen auf LP heraus. Bis dahin fallen mir noch 21 weitere Bands ein, die nicht so klingen und trotzdem in meinem Hirn unbedingt an die Oberfläche schwimmen wollen und sich aufdrängen, mit The Follies verglichen zu werden. Sei’s drum. Schönes Wochenende.

Vaguess – Thanks // No Thanks LP

Eigentlich poste ich ja einmal im Jahr etwas Neues zu Vaguess, aber irgendwie ist mir das 2023 ganz knapp vermasselt worden. Dann eben jetzt zu Beginn von 2024 ein neues Album, das dann immerhin direkt auf LP in Deutschland zu erwerben ist. Feine Sache.

Vinny Early zaubert auf der aktuellen LP 10 Songs mit einer Mischung aus postigem Punk, skatigem Pop, surfigem Rock’n’Roll und quietschendem Eiersalat aus der rostigen Werkzeugbox in der Garage und bringt damit nicht nur ein weiteres kalifornisches Sound-Abenteuer auf die Straße, sondern untermalt damit auch meinen täglichen Kampf gegen die schlechte Laune aus den Nachrichten Fröhlichkeit der närrischen Jecken.

Mit Vaguess auf den Ohren ist die Welt nur halb so schlimm. Probierts mal aus. Tolles Album.

Erste Theke Tonträger. Kommt auf Vinyl und ist in Windeseile bei Dir. Viel Erfolg im Karneval.

Hick Tracy – II CS

Hier, was Neues für die ganzen Kassetten-DJs unter euch. Hick Tracy aus Wyoming haben ihr zweites Release auf ner umweltfreundlichen Kassingle veröffentlicht und beweisen damit ihre souverän positive Punk Attitüde zur Wegwerfgesellschaft und ihre sensible Einstellung zur Nachhaltigkeit.

Mit Vinyl Singles aufzulegen kann ich ja verstehen, aber einen Haufen Kassetten im Rucksack zur Party zu schleppen, halte ich für übertrieben ambitioniert. Naja, vielleicht bin ich auch der Szene ein wenig entwachsen und die Leute stellen sich die Plastikdinger nicht einfach nur ins Regal und hören das digital, sondern wechseln tatsächlich alle 2 Minuten den Tonträger.

Zwei Songs in knapp zwei Minuten mit extrem unterhaltsamem Garage Punk Hardcore, der zwar soundtechnisch nicht aus dem schmuddeligen Proberaumkeller herauskommt, aber die Punker mögen es ja eh gerne dreckig, ne? Geiler Scheiß!

Deluxe Bias. Die haben damals das Label mit dem ersten Demo der Band gestartet und seitdem einen Haufen an Müll produziert, der heißer ist als sämtliche Brennstäbe aus den Castortransporten der 90er.

Grazia – In Poor Taste 7″

Power poppiger Garage Punk aus London. Das Duo Grazia hat nichts mit dem gleichnamigen Mode-Magazin zu tun und möchte Dir nicht die derzeit angesagte "Bag" von Frankreichs Straßen verkaufen oder Dir erklären, welche 3 "Candy Düfte" Du kennen musst.

Die beiden entspannten Hipster machen einfach nur ein bisschen Musik zum cool in der S-Bahn herumstehen und drücken mit der angespannten Mischung aus treibenden Bassläufen, Staccato Gitarren, dem tanzbarem Beat und dem gelangweilten Gesang das urbane Lebensgefühl von jungen Großstädtern aus. Ein bisschen gefangen zwischen zu viel Energie und zu viel Müdigkeit, irgendwo zwischen sinnsuchend nach dem letzten durchgetanzten Wochenende in Katerstimmung und in Vorbereitung auf die nächste Party.
Andererseits kann man das auch sehr gut zum Kochen und Staubsaugen hören, wenn man ein alter Vororts-Mensch ist. Wie ihr wollt.

Feel It Records. 4 Songs auf einer Single. 3 verschiedene Farben des Covers. In den Modefarben des Frühlings: Fuschia, Lemon und Green. OK. Kann natürlich sein, dass die Single als Dreingabe der nächsten Ausgabe des Magazins geplant ist, immerhin sprechen sie das gleiche Publikum an. Spannend.

Cruelster – Lost Inside My Mind In Another State of Mind. The Singles Collection LP

Willkommen im Rest des Verstandes von Cruelster, dem grausamsten Punk Rock Quintett aus Cleveland, Ohio. Die taltentiert verrückten Leute von Know-so und Piss Me Off (und anderen Krachmachern) haben inzwischen einen Haufen unübersichtlicher Releases angehäuft und ihren Stil des ähm, angestrunkenen Skaters, der auf dem Kirchenfest wohlerzogene Christen anpöbelt in den letzten 10 Jahren perfektioniert.

Schön, dass man jetzt mal eine ordentliche Sammlung der Stücke parat hat, die man sich auf die Ohren klemmen kann, wenn man zur Karnevalssitzung muss und debil grinsend die Grausamkeiten des biederen Humors still und leise ertragen soll. Das Cover beschreibt die Musik eigentlich ausreichend genug, dafür muss man jetzt nicht Kunstgeschichte studiert haben.

Drunken Sailor Records. Ein paar auf grünem Vinyl, ein paar auf schwarz. Die 23 Songs untermalen einen guten Start in die Woche – von hektisch über verwirrt verwirrend bis zu asozial aggressiv. Toll. Kommt gut durch!

Hellwigs – Raising Hell

Neue Woche, neuer Streik. Jetzt also ein bisschen weniger Nahverkehr, weil die Beschäftigten ein bisschen mehr Lohn haben wollen. Dazu habe ich heute Morgen einen sehr sinnvollen Kommentar seitens der Kommunen gehört. "Wenn sie mehr Geld haben wollen, müssen sie halt länger arbeiten." Ach so. Genial.

Den passenden Soundtrack für die Wartezeit an der Bus- und Bahnhaltestelle liefern Hellwigs aus Saltash im Vereinigten Königreich. Selbstbetitelt als Wrestle Punk mit einer Verehrung für die alten 90er Jahre WWF Zeiten würde ich die Rabauken irgendwo in die Punk’n’Roll-mit-Wichsgitarre-Schublade stecken. Inklusive Sid Vicious O-Ton. Also dem Wrestler, versteht sich. Rockt.

Kommt gut überall an, wenn ihr irgendwo hin wollt. Ich bleib hier und pass auf. Schönes Wochenende!

Corker – Distant Dawn

Irgendwie ist das komisch. Da gehen eine Million Menschen oder mehr auf die Straße, um gegen fremdenfeindliche und diskriminierende Politik zu protestieren, zahlreiche Politiker aus der Regierung nehmen daran klatschend und grinsend teil, aber zugleich wird dann vom Chef gefordert, dass man jetzt doch mal "so richtig" abschieben müsse. Cool.

Und zeitgleich wird ebenfalls von den selben Politikern beschlossen, den Asylbewerbern statt Geld eine Bezahlkarte in die Hand zu drücken, mit der nur noch unter staatlicher Aufsicht konsumiert werden darf. Das soll "die Attraktivität Deutschlands als Migrationsziel" mindern. Ist für mich alles ein bisschen widersprüchlich und ignorant, aber ich bin auch empfindlich. Naja.

Corker aus Cincinnati bringen dieses Jahr ihre zweite LP raus und man kann jetzt schon einmal einen Song davon hören. Auf ein Quintett angewachsen, hört man hier den Druck der sechzig Gitarrenspuren deutlich und die Post Punk Nummer überzeugt durch mehr Punk als Post. Ich hatte die irgendwie düsterer und depressiver in Erinnerung, vielleicht haben sie ja inzwischen zu besseren Drogen gefunden oder das neue Bandmitglied ist ein Bündel der ansteckenden Freude. Steht der Band auf jeden Fall gut, bin gespannt auf den Rest des Albums.

Feel It Records. Kommt dann irgendwann gewiss auf LP.
Bin gespannt, ob diese Demos auch irgendwann als Handlungsempfehlung von tatsächlich besorgten Bürgern verstanden werden und nicht nur als netter Hintergrund für coole PR und Pressefotos dienen. Naja.