Sport – In Waves LP

Ein denkbar schlechter Zeitpunkt für das Comeback von Sport nach 9 Jahren Abstinenz. Da hat man sich von Kopf bis Fuß ordentliche Speckrollen antrainiert, sieht inzwischen aus wie das Michelin Männchen, die Lunge pfeift leidenschaftlich bei jeder Rolltreppenstufe und dann kommt man plötzlich in der heißesten Zeit der letzten 2000 Jahre auf die Idee, wieder Sport zu treiben?

Puh. Einerseits natürlich begrüßenswert, schwitzt euch gesund, aber andererseits fängt jetzt so langsam die Zeit an, in der Menschen einfach wegen des Wetters sterben. Muss jeder für sich selbst abwägen, ne?

Der Sound aus Lyon ist auf jeden Fall kein bisschen eingeschlafen oder ermattet, diese Emo Indie Rock Punk Dudelei funktioniert noch immer sehr gut mit einem frischen Croissant und einer großen Tasse schwarzen Kaffees. Heimlich dazu unterm Tisch eine selbstgedrehte Zigarette rauchen, man muss ja nicht direkt übertreiben. OK.

Wenn ich das richtig sehe, erscheint das Album auf 15 Labels. Die zähle ich nicht alle auf. Das Rauchen ist in Frankreich an öffentlichen Plätzen inzwischen auch verboten. Zut alors.

Laurel Canyon – Stranger

Sind hier Fans von Mudhoney oder den Screaming Trees anwesend? Oder seid ihr alle zu jung…hm. Wie wärs mit Velvet Underground? Haha, schon ok – ihr müsst ja nicht jeden Scheiß von früher mitmachen.

Falls euch die Bands nichts sagen, dann ordnet Laurel Canyon heute mal unter anachronistische Jungengruppe mit seltsamen Gitarreneffekten ein, das passt schon.

Der Name stammt von einem tatsächlichen Canyon, also einer Schlucht in Kalifornien, wo sich viele Musiker und Schauspieler in ihren Villen tummeln und Drogen nehmen und Kinder essen, oder was die Reichen halt so machen. Von Neil Young über Iggy Pop bis zu Slash alles recht rocklastige Gestalten, was auch den Sound der Band gut erklärt. Irgendwo aus den Mülltonnen der Millionäre die Reste der Noten zusammencontainert und geschwind ein paar Hits mit der heißen Heroinnadel zusammengestrickt. Wunderbarer Sound, tolle Band.

Agitated Records. Nach dem Album vor 2 Jahren ist das jetzt erst einmal nur ein einzelner Song, der digital veröffentlicht wurde. Das Cover huldigt auch eher einer psychedelischen goldenen Vergangenheit der Rockgeschichte als dass es moderne Zeiten versprüht. Macht nichts, ich fands im Allgemeinen gestern auch besser als heute.

White Reaper – Only Slightly Empty LP

Neues von dem Ende der Wurst. Und von dem anderen auch. Insgesamt 12 EU-Länder möchten erreichen, dass man nicht mehr diese wahnsinnig irreführenden Begriffe wie Sojasteak oder Veggie-Burger verwenden darf, weil man damit ja echte Steaks aus Gammelfleisch und echte Burger-Patties aus traurigen Kuhaugen verwechseln könnte.

Und das wäre schlimm, sagen die Schweinebauern. Europas höchste Konsumentenschutzbehörde spricht sich allerdings gegen eine Verschärfung aus. Spannende Zeiten.

Andere Neuigkeiten. White Reaper sind jetzt auf Blue Grape Records gelandet und bringen im September ein neues Album raus. Das letzte Album ist erst zwei Jahre her, war auf Elektra und teilweise mit Metalriffs und Solis ausgestattet, bei denen das neue Label wohl hellhörig geworden ist. Vielleicht bedeutet der Weggang von Elektra, dass die LP-Preise nicht bei 40€ starten, mal sehen.

Wen interessiert sowas eigentlich? Indie Rock Pop einer Band, die vor 10 Jahren mal Ohrenwürmer am Fließband produziert haben und heute ein bisschen alt und ausgepowert klingen. Ich. Ich interessiere mich dafür, wenn ich nicht gerade in Fachzeitschriften der Fleischindustrie blättere und die geschmackvollen Werbeanzeigen ablecke. Einfach geschmacklos, der Typ.

Blue Grape. Im Moment digital bei Bandcamp vorbestellbar, aber für den einen Song investiere ich noch nicht mein Taschengeld. Dann warten wir mal bis September und schauen uns die vielen Farbvarianten der Vinylscheiben an. Wieso darf man eigentlich noch solch irreführende Begriffe wie "Bärchenwurst" und "Fleischtomate" verwenden. Man ist ja als Konsument total verunsichert. Schlimm.

Habit – Peer Impact Demo CS

Ist das Ressourcenverschwendung oder Punk? 13 Sekunden "Song" auf Kassette. Aus dem Jahr 2016. Auf der B-Seite hört man 10 Minuten Klimaaktivisten weinen.

Slow Death Records. Ich versteh den Witz nicht.

Sekunderna – Hits LP

Wie weit in den Norden muss ich eigentlich auswandern, um diesem Klimawandel zu entfliehen und erträgliche Temperaturen tags- und nachtsüber anzupeilen? Reicht Umeå da schon? Ich mein, das liegt ungefähr auf der Höhe von Fairbanks in Alaska und Reykjavik auf Island – kennt man beides nicht unbedingt als Glutnester.

Ich frage ja nur, weil ich dann zumindest auch noch gute Musik vor Ort genießen könnte und mir an kalten Tagen das Herz mit original schwedischem Power Pop Garage Punk erwärmen kann… Beweisstück B: Sekunderna’s neue LP. Nur Hits, will uns der Titel glauben machen, aber ich kenne die alten Sachen, also ist das nicht übertrieben. Momentan kann man 2 von 11 Hits schon einmal vorhören und sich mental auf 12°C und Regen einstellen. Herrlich.

Fika Recordings (UK), Bloated Kat Records (US) und irgendjemand in Schweden – fragt im Zweifel einfach die Band, die sind nett. Kommt auf limitierter Vinyl LP raus und im Sommer touren die Jungs durch den heißen Teil Europas. Cool. Hot.

Rockdogs – Mixtape CS

Habt ihr das auch bei der Tagesschau gelesen, dass jedes vierte Kind in einer kinderreichen Familie lebt? Hat mich jetzt nicht so umgehauen, die News.

Ich dachte, na klar, wenn man schon drei Kinder hat und dann kommt das vierte hinzu, dann isses ja klar, dass es sich um eine kinderreiche Familie handeln muss. Oder fängt das erst bei fünf Kindern an? Reichtum ist so schwer zu beziffern, ne?

Apropos. In Melbourne haben die Menschen unterdessen einen gewissen Reichtum an überdurchschnittlich tollen Bands angehäuft und können es sich leisten, aus den Musikanten ein komplettes Fußballteam zu gestalten, das dieses Jahr, um genauer zu sein letzte Woche, tatsächlich den Reclink Community Cup gewonnen. Ich werde da nicht ins Detail gehen, schaut euch den Kram mal an, sieht nach einer richtig tollen Sache aus, die offensichtlich auch viel Freude bereitet.

Und naja, nebenbei gibts da eben auch tausend coole Leute aus tausend coolen Bands, die dann zur Feier des Tages und für einen guten Zweck ein Mixtape veröffentlicht haben. 38 Songs. Ich wette, ihr kennt nicht jede Band und ich wette noch dazu, dass ihr hier einen neuen Liebling findet. Rock, Punk, Indie, taralalal. Toll.

Roolette Records. Auf Kassette erschienen (und ausverkauft) und ausgewählte Songs auch auf einer LP, aber die gibts nur in Australien. Ich bin ein bisschen verwirrt, was jetzt Football bei denen bedeutet. Sieht doch irgendwie nach Rugby aus, aber was weiß ich schon von Sport. Go Rockdogs!

Cruelster – Make Them Wonder Why LP

Eine neue LP von den wahninnigen Cruelster aus Denver ist im Anmarsch. Zwar kann man erst einmal nur einen Song davon hören, aber wenn alle 21 Lieder ähnliche Energie versprühen, ist der lethargische Sommer ab-und Zappeln bis der Kreislauf kollabiert angesagt.

Convulse Records. Erscheint Mitte Juli auf LP und vielleicht auch in Europa mit einer Verzögerung zu bekommen, könnt ihr also noch ein bisschen länger herumfläzen.

Negative Charge – S/T 12″

Wer hat in der Schule aufgepasst und kann mir sagen, welcher Bestandteil eines Atoms negativ geladen ist? Oder meinen die Burschen aus Winnipeg hier etwa die Abbuchung auf einer Kreditkarte? Ich glaub, so funktioniert Englisch nicht, aber in meinem Kopf ist das ein halbes Teekesselchen. Aha.

In der echten, harten Welt geht es aber um die Band Negative Charge aus Kanada, nicht die aus New York – dort ist man direkt so negativ aufgeladen, dass man Powerviolence braucht – unsere kanadischen Freunde hingegen begnügen sich mit ordentlichem Hardcore der brutaleren Spielart, der aber immer noch genügend Melodien in den Seitentaschen versteckt hat, dass man bei der Flucht vor dem Kaufhausdetektiv nicht vom Skateboard fällt.

Super eingängiger Hardcore Punk mit allen Stilmitteln gewaschen und perfekt in den Sommeranfang passend, wenn wir am längsten Tag des Jahres unsere Nachbarn mit dem Gestank und Lärm eines Grillfestes erfreuen. OK.
Insgesamt 11 kurze Songs, die knallen, jetzt erst einmal nur vier davon, sonst kommen die Bullen.

Neon Taste. Die Platte kommt im Juli auf Vinyl raus und dazu noch tausend Varianten von verschiedenen Shirt und Longsleeves und Tupperdosen. Grillen ist auch ein schönes Teekesselchen. Naja, einigermaßen. Oder Single? Ach, das haben Buzzcocks ja auch schon verwendet. Na gut. Schreibt mir keine in die Kommentare.

Norma – S/T

Die meisten von euch müssen heute bestimmt gar nicht arbeiten, oder? Für die anderen armen Schweine hier ein bisschen Ablenkung von der Tristesse des Alltags.

Norma aus Halden in Norwegen spielen eine angenehm chillige Mischung aus poppigem Folk und countryesken Indierock irgendwo zwischen War On Drugs und Truck Stop, lol. Genau das Richtige für einen Tag am See oder am Bildschirm, es kommt ja nur auf die Einstellung an, nicht wahr.

Der Name der Supermarktkette ist zusammengesetzt aus dem lateinischen Namen für Nürnberg (Noricum) und dem euphemistischen Titel für eine kapitalistische Konsumbruchbude (Markt), weil der Gründer damals aus Fürth kam und die popelige Stadt keinen eigenen lateinischen Namen besaß.

Ich glaub, die meisten Leute, die heute arbeiten müssen, kennen den Discounter gar nicht, da in Niedersachsen, Bremen und Hamburg keine Filialen stehen. Naja. 2 Minuten verschwendet, gute Musik gehört, auch schön.

Die With Your Boots On. Ich sehe kein physisches Release unter dem ganzen norwegischen Wüstenstaub lauern. Vielleicht irgendwann in Zukunft. Jetzt erst einmal digital.
Wenn Marilyn Monroe das wüsste, dass so ein schäbiger Billo-Laden mal mit ihrem Mädchennamen Werbung macht und ihr Konterfei für den Verkauf von Kochkäse, Blutwurst oder Schweinesülze nutzt, würde sie gewiss direkt ein paar Tabletten mehr einwerfen. Gute Zeiten.

Big Break – Exile On Exchange St 7″

Ist das etwa eine Rolling Stones Referenz? Als die armen Rocker gezwungen wurden, das Heimatland zu verlassen, um Steuern zu sparen? Ich frag mich, was dieser Titel wohl zu bedeuten hat, bin aber gar nicht so vertraut mit der Band Big Break, um da Genaueres mitteilen zu können. Sorry, heute kein Kaffeeklatsch.

Die vier Punk Rocker aus Sheffield scheinen aber ihrer Heimat treu zu bleiben, dort ihre Steuern brav zu entrichten und die Stadt mit exquisitem Garage Punk zu belohnen. Von Kneipe zu Friedhof passen die vier Songs ganz wunderbar auf eine Playlist für aufgeschlossene Fans der subkulturellen Orgel-Gitarrenmusik.

Ein bisschen Wave, Eier und Punksalat – dazu kann man hervorragend auf den vergoldeten Tischen und Gräbern verstorbener Rockstars tanzen. Cool.

Wrong Speed Records. Auf Single erschienen und tatsächlich neben dem Kauf bei der Band in England ist das Vinyl auch auf dem europäischen Festland zu beziehen, um, naja, Steuern zu sparen. Wir sind doch alle gleich. OK.