Martha – Heart is Healing

Ich hatte mal eine Klassenkameradin, die Martha hieß. Das war in der 10. Klasse und damals wohnte ich noch aufm Dorf, wie man so schön sagte. Deswegen musste ich auch immer eine etwas längere Busfahrt in die Stadt/Schule auf mich nehmen und währenddessen die ganzen anderen Kinder von den Landkommunenhippies ertragen. Da es sich bei diesen Busladungen meist um Kinder handelte, die auf sogenannte weiterführende Schulen gingen, war auch der Asi-Faktor nicht so hoch, wie man das aus "Problemvierteln" von irgendwelchen Städten kennt. In diesen Bussen kam quasi die geistige Elite von morgen, also heute, zusammen. Und Martha.
Was für perverse Eltern geben ihrem Kind so einen Namen? Vielleicht ist das heute süß, aber vor 40 Jahren klang der Name alleine schon nach altbackener Häkeldeckenromantik.

Als ich Martha zum ersten Mal im Bus erlebt habe, kam mir sofort ein Wort in den Sinn, das sich noch nie bis zu dem Zeitpunkt von irgendeiner Relevanz in meinem Hirn präsentiert oder gar manifestiert hatte: Trampel, genauer: Bauerntrampel. Auf einmal war dieses Wort da. So, wie ein Lexikoneintrag mit passendem Bild hatte ich auf einmal das Wort "Bauerntrampel" verstanden. Martha war laut, rüpelhaft, etwas unkoordiniert in der Steuerung ihrer leicht zu lang geratenen Gliedmaßen und lachte viel an den falschen Stellen. Ich war begeistert und schockiert.
In der Schule hatten wir keinen Kontakt, ich war an Zigaretten und Punk Rock interessiert, sie nicht.

Keine Ahnung, was sie heute macht. Vielleicht hat sie den Hof ihrer Eltern übernommen? Wo immer sie auch ist, ich hoffe, es geht ihr gut.