Armin und X-Mist Records und ich

Scheisse. Armin Hofmann ist gestorben. Der Kerl hat mir vor einer Ewigkeit zu dem Grundstein meines Musikgeschmacks verholfen und mit den frühen Emo-HC Singles aus dem Hause Ebullition, Gravity und dergleichen ewige Ohrwürmer in mein Plattenregal gestellt. Da hab ich noch aufm Dorf in Niedersachsen gewohnt und hatte keine Ahnung. An die Hand genommen von dem Bruder meines Freundes haben wir Mitte der 90er einmal Armin in seinem Laden besucht. Es war eine Ausnahme, eigentlich wollte er seine Ruhe haben am Wochenende, aber für uns und einen Kasten Tannenzäpfle hat er die Pforten zu X-Mist Records damals dann doch geöffnet. Erstaunlicherweise wusste er, wer ich bin. Der kleine Scheißer aus dem Dorf, der auch bei anderen Scheißern aus dem Dorf immer 2-3 Singles oder mal eine LP mitbestellte, damit sich das Porto lohnt. Und dem Scheißer drückte Armin eine Platte in die Hand, von der er meinte, dass sie ihm gefallen könnte. Seitdem bin ich Fan von Karate. Danke.

Ganz nebenbei kamen über den Mailorder und sein Label immer wieder Sachen heraus, die unglaublich großartig waren. Doch meistens wurde zunächst das eigene Klangwohlgefühl und die Hörgewohnheit getestet, denn oftmals gab es etwas Anderes und Neues zu bestaunen. Stillstand war nicht die Sache vom ExtremMist-Records Armin. So zum Beispiel das Erlebnis, als ich das erste Mal World/Inferno Friendship Society hörte. "Hä? Oh. Hä? Abgefahren. Oha, voll geil." (Mega oder cool sagte man damals noch nicht) Oder die spannendere Band von Lee Hollis, die nicht so den Status erlangte, die sie verdient hätte? 2 Bad. Dawnbreed, Monochrome oder die ersten Shellac Singles, die man nur dort bei X-Mist bekam. Hä? Oha. Sehr geil. Wusstet Ihr, dass Armin eine Split Single mit NOFX Ende der 80er herausgebracht hat, auf der eine alternative Version des Songs "S&M Airlines" zu finden ist? Dazu noch ein Reissue meiner Lieblingsband Big Boys und Jahre später wieder einmal den Finger am schwachen Puls der musikalischen Verödung Europas…mit Sleafaord Mods hatte er ebenfalls bereits früh erkannt, was eigentlich neue und coole Punk Musik so im Jahre 2013 bedeutet und wie es klingen kann.

Seine Liebe zu den südlichen Gefilden Deutschlands und den Alpenregionen drückte sich nicht nur in seinem Biergeschmack aus (s.o.), er war auch stets begeisterter Fan von Dialekt und ursprünglicher Instrumentierung. Das habe ich nicht so teilen können, da ich nix verstehe, was nicht einigermaßen Hochdeutsch klingt, aber seine Begeisterung war immer spürbar und da war es wie mit allen anderen musikalischen Dingen auch. Entweder er findet es großartig und erklärt Dir auch, warum oder er findet es scheiße und langweilig und erklärt Dir auch, warum.
Letzte Woche hatten wir letztmalig Kontakt wegen einer Bestellung und er schrieb noch, dass er aufgrund des Krebses wieder und wieder in Behandlung sei und es deswegen auch mal zu Verzögerungen kommen könne. Und jetzt ist er weg. Und er wird mir fehlen. Was aber bleibt, ist die Musik und das Bewusstsein für alternative Hörgewohnheiten. Hoffentlich bleibt das alles erhalten und wir stumpfen ohne ihn alle nicht musikalisch ab.

Und sonst? Scheiss Krebs. Und: Danke für alles, Armin – Du hast immer wieder haufenweise Perlen vor die Säue geworfen und bist Deiner Linie dennoch und gerade deswegen treu geblieben – ich hab extrem viel Freude durch Dich erleben dürfen und bin froh, Dich gekannt zu haben!

Clang! – Whac-A-Mole LP

Mit Post-Punk verhält es sich ein bisschen so wie mit guten Büchern. Natürlich kann man sein Leben lang Pitje Puck oder diese komischen Vampir-Bücher lesen und man ist dann glücklich und zufrieden.
Aber wenn man einmal gemerkt hat, was so ein paar talentierte Schriftsteller mit der Sprache anstellen können und dadurch eine völlig andere Stimulation des Hirns erzeugen, dann merkt man schon, dass da mehr sein kann, als nur eine stumpfe Befriedigung der Unterhaltungssehnsucht.

Vielleicht ist das dann auf Dauer zu anstrengend. Und man hat auch nicht immer Bock auf Herausforderungen. Na klaro. Dann hört man halt NOFX oder so. Aber ab und zu braucht es so tolle Sachen wie Clang! aus Tampa in Florida.

Die machen ganz wunderbaren Noise Post Punk Kram, der mit Saxophon und Synthesizer garniert auch richtig viel Spaß macht. Vielleicht ist das schon wieder nicht für alle was, aber wenn Euch die 25. Platte von Bad Religion ein bisschen zu langweilig wird, dann probiert doch mal, eure musikalischen Geschmacksknospen ein wenig zu kitzeln…

Erschienen vor zwei Wochen – erhältlich bei X-Mist.

"Was hatte er hier in dieser Stadt, in diesem verrückt gewordenen Steinbaukasten zu suchen? Blumigen Unsinn schreiben, damit die Menschheit noch mehr Zigaretten rauchte als bisher? Den Untergang Europas konnte er auch dort abwarten, wo er geboren worden war. Das hatte er davon, daß er sich einbildete, der Globus drehe sich nur; solange er ihm dabei zuschaue. Dieses lächerliche Bedürfnis, anwesend zu sein!“ aus "Der Gang vor die Hunde" von Erich fucking Kästner.

White Reaper – 7″

Introducing White Reaper! Eine Band, bestehend aus einem Schlagzeuger und einem Gitarristen, ist jetzt nichts Neues mehr, aber die beiden Jungs aus Kentucky zeigen, dass auch eine Spielart von dreckigem Pop Punk keinen Bass und keine zweite Gitarre braucht.

Aufgenommen wurde die Single bereits im Februar 2012, dann haben sie wohl längere Zeit kein Label gefunden und kurzerhand selber eins gegründet (Earthbound Records), auf der diese 7″ jetzt im August erschienen ist. Hierzulande kann man sich das nette Teil bei X-Mist bestellen, der Armin hat ja immer als Erster die besten neuen Sachen.

Das Cover ist im übrigen ein Screenshot aus dem 1984er Computerspiel Skull, das auf dem ZX Spectrum lief.